Ein Teilnehmer berichtet von der Nordsee-Freizeit
Unsere Geschichte begann an einem Junimorgen, als wir, fast noch in der Nacht, die Busse Richtung Deich bestiegen. Endlos lang schien unsere Fahrt und mit jeder Stunde, die wir uns dem Land der Friesen näherten, wurde das Wetter unfreundlicher und das Land um uns herum rauer und abweisender. Lange nachdem wir die letzte Stadt hinter uns gelassen hatten, erreichten wir unser Ziel. Im strömenden Regen, außer unserer Herberge war weit und breit kein Zeichen von Leben zu entdecken, wurden wir von unserem Gastgeber in Empfang genommen. Seine Haut war von Wind und Regen gegerbt und sein langer Bart so grau und wild wie die Wolken, die sich drohend über uns auftürmten. „Wallah gottlos hier“ hörte ich einen meiner Gefährten murmeln, der Rest seiner Worte wurde vom Wind davongetragen. Unser Gastgeber war kein Freund vieler Worte während er uns durchs Haus führte. Und auch wenn seine Präsenz in den folgenden Tagen immer spürbar war, sahen wir ihn doch nie wieder, bald als hätte es ihn nie gegeben. Und so waren wir gestrandet in diesem fremden Land, fern von allem was uns lieb war…vor allem Empfang und Internet.
In der ersten Nacht war uns kaum Schlaf vergönnt, das Grauen der Nacht ließ sich nur mit Mühe mit den schweren Vorhängen bezwingen und ließ uns wieder und wieder aus den Betten fahren um uns zu vergewissern, dass noch alle von uns wohlauf waren. Lediglich einer unserer Betreuer, ein aus den dunklen Weiten Nordrhein-Westfalens in die Pfalz verschlagener Sonderling, lag friedlich in seinem Bett. Er war es auch, der uns am nächsten Morgen viel zu früh aus dem Schlaf riss um mit uns ins friesische Oldenburg aufzubrechen. Verwundert blinzelten wir, als wir ins Freie traten – die Sonne schien über die noch nebelverhangenen Felder von Ochtersum.
In Oldenburg umfing uns das vertraute Bild einer deutschen Innenstadt. Dass sich das von uns geplante Wikingermuseum dreihundert Kilometer weiter östlich im anderen Oldenburg befand, vergaßen wir schnell über der Faszination, die uns angesichts der Freundlichkeit überkam, mit der uns die Oldenburger begegneten. Viel zu schnell stiegen wir wieder in die Busse um uns in Bensersiel erstmals der Nordsee zu stellen. Am Strand war das Wetter wieder nass und windig und die Wellen schlugen nach unseren Füßen, als wollte die See uns warnen ihr zu nahe zu kommen. Und doch ging von ihr etwas Anziehendes aus. Vor allem jene meiner Freunde, die in ihrem Leben noch nie einen Blick auf das Meer geworfen hatten, wirkten wie hypnotisiert und entdeckten mit kindlicher Freude Muscheln, Schnecken, Fähren, Fischkutter und am Horizont die aufragenden Silhouetten der Ostfriesischen Inseln. Als wir abends müde und hungrig in unseren Hof einkehrten, fühlten wir beim Eintreten etwas Vertrautes, obwohl das Land um uns wieder so kalt und abweisend dalag wie am Tag unserer Ankunft.
Als wir uns am dritten Tag nach Norddeich aufmachten, wieder viel zu früh und ohne jede Form von Mitgefühl oder Geduld aus dem Schlaf gerissen, bot sich uns ein seltsamer Anblick. Eine schier unendliche Anzahl an, vornehmlich grauhaarigen, Menschen aus allen Teilen Deutschlands und der Welt bevölkerte den kleinen Ort. Ob am Strand, in der Robbenauffangstation die wir besuchten oder in den nicht enden wollenden Imbissen und viel zu teuren Restaurants (Bin ich Ronaldo? Kann ich Geld sch…..?), überall empfingen uns Massen an Menschen. Es dauerte ewig, bis wir am Strand eine freie Fläche für unsere Lenkdrachen gefunden hatten. Nach diesem Erlebnis schien uns die Ruhe unserer Unterkunft beinahe friedlich und so verbrachten wir, nachdem wir uns verpflegt hatten, einen langen fröhlichen Abend mit Spielen und Gesprächen am Kamin.
Das Wetter schien seinen Schrecken verloren zu haben, unsere Stimmung hellte sich auf und wir konnten befreit miteinander scherzen und unsere Zeit an der Nordsee genießen. Wussten wir doch nicht, welches Unheil uns am vierten Tag erwarten sollte. Noch immer kann ich nur mit Angst und Ekel an diesen letzten Ausflug unserer Reise zurückdenken. Wir fuhren vormittags nach Neuharlingersiel. Schon während der Fahrt wurde das Wetter stürmisch und feindselig. Am Strand unweit des Hafens empfing uns ein Friese der direkt dem Meer entstiegen zu sein schien. Gezeichnet von Sand, Gischt und Salz wartete er auf uns – und er führte uns ins direkt ins Meer. AUF SOCKEN BRUDER, AUF SOCKEN!!! wateten wir durchs Watt, umgeben von Krabben, Würmern und Möwen. Über uns schwarze Wolken, unter uns das nicht enden wollende Wattenmeer. Den Rest des Tages verbrachten wir schlotternd und frierend vor dem Kamin. Noch immer zeigten unsere Betreuer keine Anzeichen von Mitgefühl oder Wärme gegenüber unserer Situation. Viel mehr schien unser Elend sie zu erheitern.
BEI GOTT HERR BENDER, ICH SCHLAG SIE!! Im Halbschlaf, Stunden früher als in den Tagen davor, kamen mir diese Worte über die Lippen noch bevor ich richtig denken konnte. Doch anstatt innezuhalten, ging er einfach weiter zu meinen Zimmernachbarn und führte sein grausames Werk fort, bis auch die letzte unglückliche Seele ihr Bett verlassen hatte. Kurz danach saßen wir in den Bussen in Richtung Ludwigshafen, müde aber glücklich. Doch während wir uns immer weiter von Friesland und seinen Deichen entfernten, war da noch ein anderes Gefühl, Wehmut über das Ende dieser letzten Fahrt als Nuggets.