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„Etwas zurückgeben, auch unter diesen Bedingungen …“

Geflüchteter Syrer lädt die gesamte Bayreuther Straße zum Grillfest ein

„600, 700 Jahre lang haben wir immer wieder gut zusammengelebt. Und dann das!“ Zu den Freunden von Mohammadtarek Khabze zählten in Aleppo Juden, Muslime und Aleviten sowie Christen sämtlicher Konfessionen. Er selbst ist syrischer Christ – mit viel Toleranz für alle, die an etwas ganz anderes glauben. „Und dann das …“ Damit meint Mohammadtarek natürlich die gewalttätigen Eskalationen um 2015, den Krieg, der die Familie zersplitterte. Seine vier Schwestern und fünf Brüder leben heute über die Welt verteilt; am ehesten sind noch diejenigen in Schweden und in den Niederlanden erreichbar. Die es nach Deutschland geschafft haben, dürfen auch nicht zusammenwohnen. Sie leben in Birkenfeld, Koblenz, Berlin und Rüsselsheim. Unvorstellbar für Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind? Unvorstellbar auch für Herrn Khabze: „Niemals hätten wir mit so etwas gerechnet. Niemals!“

Aleppo, man darf das nicht verwechseln, ist eine alte Kulturstadt. Ludwigshafen wurde im 19. Jahrhundert gegründet. Aleppo auch: allerdings vor Christus. Schon damals handelt es sich um eine Hauptstadt. Was in der langen Geschichte noch häufiger vorkommen wird. Aleppo erlebt die Hochkulturen der Hethiter, Assyrer, Babylonier, Perser. 333 v. Chr. wird es durch die Armeen Alexanders „des Großen“ erobert. Römer, Byzantiner und Seldschuken lassen die Stadt ebenfalls nicht in Ruhe. Natürlich verwüsten auch die Mongolen die Stadt. Schließlich wird Aleppo osmanisch, dann wieder syrisch. Die Reste der Altstadt gehören seit 1986 zum Weltkulturerbe. Erdbeben, Krieg und Stadtplanung verwüsten so viel wie möglich.

„Bei einer so langen Geschichte ist es kein Wunder, dass wir auch kulinarisch viel zu bieten haben“, erklärt der gelernte Koch und wendet die eingelegten Hähnchenteile auf dem Grill. Unterstützt von Kochgruppenleiterin Jacky Brudevold und vielen Freiwilligen, lädt der Geflüchtete alle zum Grillfest, die Appetit haben. Es sind Dutzende. Warum es ihn in die Bayreuther Straße verschlagen hat, ist eine ebenfalls komplizierte Geschichte. „Am Anfang habe ich gedacht: Wer hier wohnt, muss etwas verbrochen haben.“ Nein, muss er nicht. Auch Herr Khabze hat nichts verbrochen. Doch seine eigene Familie ist während der Flucht auseinandergebrochen. Seine Töchter darf er nur selten sehen: weil er in die Bayreuther Straße eingewiesen wurde. Und die ist nicht gut für Kinder. Weiß das Jugendamt.

Also arbeitet Mohammadtarek seit Jahren in sechs Tagen 60 Stunden die Woche, um irgendwann endlich eine Wohnung bezahlen zu können. Um seine Töchter endlich wieder bei sich zu haben. Für einen wie ihn gelten selbstverständlich ganz besondere Erschwernisse: Er muss eine Kaution vorlegen über zwei Monatsmieten und die ersten Monate im Voraus zahlen. In Kürze hat er das Geld beisammen. In mehreren Restaurants hat er geschuftet. Nach wie vor ist er in der Gastronomie tätig, in Mannheim. Selbstverständlich hat er ein Zertifikat als gelernter Koch. Selbstverständlich gilt das nicht in Deutschland. So dass er nur ein Gehalt als Küchenhilfe bekommt: nachdem er 17 Jahre lang in Aleppo seinen Beruf ausgeübt hat! Eine Frage, bitte: Warum machen wir es den besten Leuten am schwersten?

Von der hohen Qualität seiner Kochkunst durften sich die Bewohnerinnen und Bewohner der Bayreuther Straße schon zum zweiten Mal überzeugen. Herr Khabze nimmt keinen Cent dafür an. „Gastfreundschaft ist Gastfreundschaft, nicht wahr? Wenn, dann muss man auch richtig einladen!“ Ein Satz, der uns allen in den Ohren klingeln sollte … (Wer eine 3-4-Zimmer-Wohnung hat: Bitte gerne melden unter hucke@foerdergemeinschaft.de.)

 

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