„Wie Weihnachten und Geburtstag zusammen.“
Der 3. Umsonst-Flohmarkt in der Bayreuther Straße: eine gelungene Überraschung
Ludwighafen, 30. September 2021. – „Warum kann es denn nu nich‘ immer so sein?“ Der bekannte Seufzer aus Kempowskis Roman „Tadellöser & Wolff“ wird gleich mehrfach zitiert, als die Tische, vollgepackt mit den verschiedensten Waren und wohlpostiert unter den Bäumen zwischen den „Weißen Blöcken“, ins Auge fallen. „Bezahlen verboten!“ lautet das Motto – und das ist so ziemlich das Gegenteil davon, was im Alltag heute Usus ist, wo einem sogar eine Auskunft zum Fahrkartenkauf extra berechnet wird … Schuhe, Jacken, Hosen, Taschen, gut ein Drittel für Kinder, außerdem Gegenstände des täglichen Bedarfs bis hin zu Spiegeln, Silberbesteck, Lampen, Rotlicht, Teddybären – es ist schon erstaunlich, was die GWA der ÖFG zum dritten offiziellen Umsonst-Flohmarkt in der Bayreuther Straße so zusammengetragen hat. In Mundenheim gab es dergleichen auch schon, mitorganisiert vom JUZ und in großem Stil präsentiert.
Es geht auch eine Nummer kleiner. Rechtzeitig vor Eröffnung gibt sich die benachbarte Matthäuskirche die Ehre und spendet eine Riesenladung Kosmetik nebst Dosensuppen; nicht eine wird übrigbleiben. Von wegen Volksernährung: Auf einem traditionellen Schwenkgrill werden Dutzende Würstchen zubereitet, in Brötchen gestopft und wahlweise mit Senf oder Ketchup garniert. Auch hier: „Bezahlen verboten!“ Spätestens jetzt, da – endlich wieder – Grilldüfte die Bayreuther Straße durchwabern, werden diejenigen Bewohnerinnen und Bewohner aufmerksam, die keine Hinweis-Flugblätter entdecken konnten; nach altem Brauch sind die meisten Zettel wieder einmal abgerissen worden: vielleicht ein Thema für eine Diplomarbeit, was dieser Unsinn zu bedeuten hat?
Menschen aller Altersschichten strömen gut drei Stunden lang aus allen Himmelsrichtungen zusammen, um zu stöbern, zu genießen und auszuwählen, was sie gebrauchen könnten. Oder vielleicht der Nachbar, die Großmama, das Enkelchen. Vor allem aber gerät die „antikapitalistische Markt-Wirtschaft“ zum beschwingt kommunikativen Treffpunkt und Diskussionszirkel. Nach vielen Monaten der Beschränkung herrscht ein akutes Bedürfnis, sich in aller Offen- und Öffentlichkeit auszutauschen. Derweil sich einige schlicht und einfach freuen, endlich ein Paar neuwertige Kinderturnschuhe in passender Größe oder eine höchst willkommene Ergänzung zur heimischen Spielkonsole gefunden zu haben, reflektieren andere das Geschehen kritisch: „Ja, ja, die einen schmeißen´s weg, und die anderen bücken sich danach.“
Es ist allen bewusst, dass es sich – schon die Örtlichkeit zeigt das deutlich – bei diesem Flohmarkt nicht um einen lustigen Kleiderkreisel oder eine No-waste-Tauschbörse begüterter Jugendlicher handelt, sondern – um etwas ganz anderes. Mehrfach fällt das sperrige Wort „Einkommensungleichverteilung“, eine der Hauptursachen für die sozioökologischen Probleme unserer Tage. „Besser wär’s, so etwas wäre gar nicht nötigt“, gibt eine Passantin zu bedenken. Die zweite Wurst im Anschlag, schlägt ein noch sehr junger Mann aus den „Roten Blöcken“ vor, doch mal ein solches Event „andersrum“ zu organisieren, sprich: „Wir packen alles zusammen, was wir hier nicht mehr brauchen und fahren damit ins Villenviertel!“ In welches, ließ der Kreative offen; seinen suggestiven Vorschlag aber behalten wir mal im Hinterkopf und diskutieren ihn beim nächsten Treffen des Bayreuther Beirats. Charme hätte die Sache …